Methodisten als kritische Aktionäre

Erstmalig trat in Deutschland eine methodistische Gruppierung als kritischer Aktionär bei einer Hauptversammlung auf.

»Wespath« ist die Vermögensverwaltung der internationalen Pensions- und Krankenkasse der Evangelisch-methodistischen Kirche. Die Vermögenswerte von umgerechnet über 21 Milliarden Euro werden auf Basis christlicher Gesinnung nach ethischen Werten und Nachhaltigkeitskriterien verwaltet. Damit macht das Unternehmen auch als Aktionär bei Hauptversammlungen ernst.

Bei der Hauptversammlung der Heidelbergcement-AG, die Anfang Mai virtuell durchgeführt wurde, trat der international agierende Vermögensdienstleister »Wespath« als sogenannter »kritischer Aktionär« auf. Wespath verwaltet als in den Vereinigten Staaten angesiedelte internationale Pensions- und Krankenkasse der Evangelisch-methodistischen Kirche (EmK) Vermögenswerte von umgerechnet über 21 Milliarden Euro. Als Investor der Heidelbergcement-AG stellte Wespath im Rahmen der Hauptversammlung den Antrag, den Vorstand nicht zu entlasten. Es war das erste Mal, dass in Deutschland eine methodistische Gruppierung als kritischer Aktionär auftrat.

Forderung der Offenlegung von Risiken

Mit einem Jahresumsatz von rund 18 Milliarden Euro ist Heidelbergcement ein weltweit führender Hersteller von Zement, Beton und Baustoffen. Schon seit Jahren steht das Unternehmen, das seine Produkte in über fünfzig Ländern vertreibt, in der Kritik. Bei den Vorwürfen geht es um Menschenrechtsverletzungen und Klimaschutzverstöße, weshalb Wespath den Antrag auf Nicht-Entlastung einbrachte. Der nach eigenen Aussagen langfristig orientierte Investor und Treuhänder sehe darin erhebliche Risiken für das Unternehmen. Wespath habe das Unternehmen über seine Bedenken informiert, aber keine zufriedenstellenden Antworten erhalten. »Wir halten es für zwingend erforderlich, dass das Unternehmen eine verbesserte Überwachung und transparente Offenlegung der Menschenrechtsrisiken in der Lieferkette des Unternehmens einführt«, unterstrich Wespath die Forderungen an Heidelbergcement im Antrag auf Nicht-Entlastung

Wespath weist auf Missstände hin

Den Antrag begründete die ihren Anlegern verpflichtete Vermögensverwaltung mit Hinweis auf konkrete Unternehmensaktivitäten, die nach Sicht der Antragsteller für den Erfolg des Unternehmens auf Dauer riskant seien. Dazu gehöre, dass der Vorstand von Heidelbergcement seine Investoren nicht ausreichend darüber informiere, ob die Geschäftspraktiken des Unternehmens mit menschenrechtlicher Sorgfaltspflicht in Einklang stünden.

Wespath weist in seinen Vorwürfen ausdrücklich auf unternehmerische Aktivitäten von Heidelbergcement in Marokko, Indonesien und in den Palästinensischen Gebieten hin. So betreibt das Unternehmen über Tochterfirmen Betriebe in der von Marokko besetzten Westsahara. Laut Humanitärem Völkerrecht (früher Kriegsvölkerrecht) dürfen Besatzungsmächte Ressourcen jedoch nicht ohne die Zustimmung der besetzten Bevölkerung ausbeuten. Weil über eine Zustimmung der Bevölkerung der Westsahara keine Informationen vorlägen, gebe es im Rahmen der unternehmerischen Tätigkeit möglicherweise Verstöße gegen das Humanitäre Völkerrecht.

Im indonesischen Zentraljava treibt die Heidelbergcement-Tochtergesellschaft Indocement Pläne für einen Kalksteinbruch und eine Zementfabrik voran. Wespath weist darauf hin, dass dieses Projekt die Lebensgrundlage der Bevölkerung gefährde. Besonders das Ökosystem sowie die Gewinnung von Wasser für Trinkwasser und für die Landwirtschaft seien gefährdet. Eine Zustimmung der indigenen Gemeinschaften zu den unternehmerischen Aktivitäten von Indocement fehle bisher. Außerdem machten diese Gruppen Verstöße gegen den Verhaltenskodex für weltweit verantwortliches Handeln von Unternehmen geltend, die als »OECD-Leitsätze« von multinational operierenden Unternehmen der OECD-Mitgliedsländer, darunter auch Deutschland, zu berücksichtigen sind.

Des Weiteren betreibt die Heidelbergcement-Tochtergesellschaft »Hanson Israel« im Palästinensischen Autonomiegebiet des seit 1967 von Israel kontrollierten Westjordanlands den Steinbruch »Nahal Raba«. Wespath weist darauf hin, dass es wegen der Betonlieferungen an israelische Siedlungen zu Verstößen gegen den Artikel 49 der Vierten Genfer Konvention kommen könnte, der die Ausweisung oder Deportation aus einem besetzten Gebiet gegen den Willen der betroffenen Personen als unzulässig erklärt.

Kritischer Dialog soll fortgesetzt werden

Wespath fordert Heidelbergcement auf, eine verbesserte Überwachung und transparente Offenlegung der Menschenrechtsrisiken in der Lieferkette des Unternehmens einzuführen. Neben Wespath protestierten auch die deutsche Dachorganisation Kritische Aktionäre und die Graswurzelbewegung »Extinction Rebellion Deutschland«. Die Entlastung des Vorstands wurde von den Aktionären trotz der vorliegenden Anträge mit großer Mehrheit angenommen. Die von Heidelbergcement inzwischen vorliegenden Antworten stellen die Anlageverantwortlichen von Wespath nicht zufrieden. Der kritische Dialog, so verlautet aus Wespath-nahen Kreisen, solle fortgesetzt werden. Am Tag nach der Hauptversammlung gab der Kurs der Heidelbergcement-Aktie um vier Prozentpunkte nach.


Weiterführende Links
Wespath-Gegenantrag zur Entlastung des Heidelbergcement-Vorstands

Zur Information

Wespath Benefits and Investments
»Wespath« ist eine Einrichtung der Evangelisch-methodistischen Kirche (EmK) und nach dem Recht der Vereinigten Staaten eine gemeinnützige Körperschaft. In ihrer weltweiten Organisationsform hat die EmK eine Kommission für Altersvorsorge und Gesundheitsdienstleistungen, die besonders für die Teile und Regionen der Kirche wichtig ist, in denen Altersvorsorge und Gesundheitsdienstleistungen nicht in einem sozialstaatlichen Sinne ausgebaut sind wie dies in Deutschland oder Europa vielerorts der Fall ist. »Wespath Benefits and Investments« ist als Pensionskasse und Krankenversicherung der geschäftliche Zweig dieser EmK-Kommission. Wespath verwaltet mittlerweile Vermögenswerte von über 26 Milliarden US-Dollar (rund 21 Milliarden Euro) von über 100.000 Beteiligten und über hundert mit der EmK verbundenen Institutionen. Über Tochtergesellschaften und verbundene Unternehmen erbringt Wespath Verwaltungs- und Anlagedienstleistungen für Versorgungspläne von Plansponsoren, die von der Evangelisch-methodistischen Kirche kontrolliert werden oder mit ihr verbunden sind. Außerdem erbringt Wespath Verwaltungs- und Anlagedienstleistungen für institutionelle Anleger, die ausschließlich für religiöse, wohltätige oder karitative Zwecke organisiert und betrieben werden, die mit der EmK in Verbindung stehen. Seit über hundert Jahren agiert Wespath auf Basis christlicher Gesinnung nach ethischen Werten und Nachhaltigkeitskriterien.

www.wespath.org